Was es für einen gelungenen Festival-Sommer 2021 jetzt braucht! Interview mit Robert Stolt vom FoF
Wir haben das MiMiMi und BlaBlaBla durch Corona satt. Wir wollen euch inspirieren, trotz – oder genau durch diese Krise – neue Ufer zu entdecken. In unserer neuen Interview-Reihe „Corona&Kultur – das geht!“ befragen wir Menschen aus der Kulturbranche, wie sie mit Mindestabstand, Maskenpflicht & Co umgehen. Das letzte Interview mit Marie vom Festival für Freunde könnt ihr hier nachlesen.
Redaktion: Lieber Robert, wie hast du bisher die Lockdowns erfahren?
Robert: Wir bei Future of Festivals wurden wirklich knallhart getroffen. Als wir für das damals bevorstehende FoF, welches Ende März 2020 stattfinden sollte, geplant haben, wurde die Pandemie eher noch belächelt. Wir hatten für das FoF zwar eine Ausfallversicherung, aber als wir die abgeschlossen haben, dachte niemand daran, bei „Seuche oder Pandemie“ ein Kreuzchen zu setzen. Als es dann Ende Februar mit den ersten Corona-Fällen los ging, wussten wir erstmal nicht wirklich, wie wir darauf reagieren sollen. Alle bereits verkauften Tickets zurückbezahlen? Es war ja alles schon organisiert. Am wichtigsten war da einfach gute und transparente Kommunikation. Wir fragten also alle Beteiligten: „Leute, wollt ihr uns den Rücken stärken und weiter mit im Boot bleiben, auch wenn wir das FoF verschieben?“ Fast alle haben gesagt „Ja, klar, wir bleiben dabei“. Nur kleine Startups, für die damals jeder Cent zählte, konnten das Risiko nicht tragen. Dennoch sind uns auf der anderen Seite von Fuchs & Hirsch viele Einnahmequellen weggebrochen, z.B. die Vermittlung von Festivalgeländen oder Crew-Catering. Natürlich waren dann die Themen Hygienekonzepte und finanzielle Förderungen viel mehr gefragt und wir passten unser Beratungsangebot an. Auch das Thema „Streaming“ wurde immer größer. Das FoF haben wir letztendlich auf November verschoben und sogar eine größere Location dafür gebucht – wieder wurden wir von der (zweiten) Lockdown-Welle überrollt. Wir haben das Ganze dann Online durchgeführt.
Redaktion: Das nächste FoF ist für den 26.-27. November dieses Jahr geplant. Seit ihr zuversichtlich, dass es diesmal analog stattfinden kann?
Robert: Ja, da sind wir positiv gestimmt. Die Impfungen schreiten voran und wenn so um die 70% geimpft sind, sehe ich da grünes Licht. Wir haben die FoF für dieses Jahr wieder in der Arena Berlin geplant. Und von der Community erhalten wir unglaublichen Zuspruch. Viele wollen, sofern es irgendwie möglich ist, nach Berlin kommen, allein um sich einfach mal wieder die Hand zu schütteln. Und natürlich auch, um sich weiterhin zu vernetzen.
Redaktion: Hat euch die Pandemie dazu veranlasst, der Messe nochmal eine neue thematische Ausrichtung zu geben?
Robert: Auf jeden Fall! Nun ist es fast schon eine Ironie des Schicksals, dass unser Name „Future of Festivals“, also die Zukunft von Festivals und anderen Großveranstaltungen so sehr zum aktuellen Zeitgeschehen passt. Dieser Name entstand ja lange bevor wir überhaupt eine Ahnung von dieser Krise hatten. Seit der Pandemie hat dieser Name nochmal eine komplett andere Bedeutung bekommen. Was ursprünglich mit einem kleinen familiären Gathering in einem Kreuzberger Büro in Berlin anfing, ist binnen zwei Jahren zu einer riesigen Zusammenkunft aller Mitspieler der Festivalbranche geworden.
Robert in Aktion | Foto: Christoph Schöning
Dass sich die Ausrichtung verändert, merkt man allein schon an den Themen, für die sich die Branche gerade interessiert. Fragen zu Social Media, z.B. wie erhalte ich mehr Likes und Views, rücken gerade in den Hintergrund. Vordergründlich geht’s gerade darum, wie man sich als Veranstalter neu aufstellen kann. Was kann man trotz der strengen Auflagen tun, damit Nachhaltigkeit auf Festivals weiter vorangetrieben wird? Da durch die Corona-Auflagen mehr Kosten entstehen, besteht die Gefahr, dass dann in Punkto Nachhaltigkeit hier und da was eingespart wird.
Die Szene wird auch internationaler. Als wir das FoF letztes Jahr online veranstalteten, hatten wir viele Teilnehmende aus dem Ausland. Aus den Niederlanden, Belgien oder Großbritannien zum Beispiel. Die Niederlande arbeiten z.B. mit Elektro-Festivals in NRW, also an der niederländischen Grenze zusammen. In Punkto Professionalisierung von Festivals sind unsere Nachbarländer schon viel weiter, für sie ist der deutsche Markt total spannend. Deshalb ist der Anreiz hier auch echt groß, beim FoF dabei zu sein.
Redaktion: Hast du ein Beispiel, worin die Niederlande schon fortschrittlicher sind?
Robert: Die Niederlande haben zum Beispiel eine Konferenz, wo es nur darum geht, Festivals grüner zu gestalten. Das ADE-Green als Ableger vom Amsterdam Dance Event. Die haben z.B. schon durchgesetzt, dass es auf Festivals keine Plastikbecher mehr gibt. Was ich auch ganz stark finde, ist die Vereinigung "Innofest", die sich darum kümmert, dass neue grüne Innovationen auf Festivals getestet werden. Sowas wünsche ich mir auch. Wir bekommen bei Fuchs & Hirsch viele Anfragen von Startups, die sehr innovative Sachen entwickeln, aber eben nicht die passenden Kontakte zu Festivals. Es gibt in Deutschland ein kleines Heftchen als Festivals-Guide, die Niederlande bringen dafür jedes Jahr ein richtiges Buch heraus. Da merkt man, dass die Szene insgesamt schon viel professionalisierter und vernetzter ist. Obwohl wir in Deutschland so um die 1300 Festivals haben (reine Musikfestivals wohl gemerkt), ist vieles noch recht unorganisiert.
Redaktion: Was rätst du Festivals, die dieses Jahr auf jeden Fall den Festival-Sommer analog rocken wollen, wie sie sich gut vorbereiten können?
Robert: Wahrscheinlich ist es gut, mit den Auflagen von letztem Jahr zu arbeiten. D.h. nicht mit mehr als 1000 Besuchern zu planen. Wenn es größer sein soll, dann eben an mehreren Wochenenden veranstalten. Super wichtig ist auch, sich über die Wahl des passenden Festival-Geländes Gedanken zu machen. Lieber zu groß als zu klein, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Festivals, die sich trauten, letztes Jahr ein analoges Festival auf die Beine zu stellen, auch dieses Jahr wieder stattfinden können. Zum Beispiel das „Wilde Möhre“ bei Cottbus oder das „About You Pangea“ bei Rostock. Die Teams haben letztes Jahr nen echt guten Job gemacht und so das Vertrauen der Ämter gewonnen. Wenn überhaupt, dann gab es nur wenige Corona-Fälle und es wurde dann auch gleich entsprechend darauf reagiert.
Ich rate also allen Veranstaltern, einen guten Kontakt zu den Ämtern aufzubauen und sich mit dem Hygiene-Konzept immer wieder neu auszurichten. Was es super schwer macht ist, dass von der Politik so gut wie keine Prognose kommt, wie die Bestimmungen für den Sommer aussehen.
Redaktion: Nun merkt man in der Branche ja deutlich, wie alle mehr zusammenwachsen und miteinander netzwerken. Was braucht es, damit auch nach der Krise dieses stärkere Wir-Gefühl Bestand hält?
Robert: Das ist der Blick in die Glaskugel! Ich sehe das mit total gemischten Gefühlen. Ich wünsche mir von Herzen, dass die Festivals, die gerade zusammenarbeiten, weiter so gut kooperieren. Es gab ja zum Beispiel Projekte, wie das „Zeitgleich-Festival" im August letzten Jahres. Da haben sich drei Festivals zusammengetan und gemeinsam ein klasse Streaming-Festival bei Arte auf die Beine gestellt. Es wäre total super, wenn es beispielsweise mehr Verbände gibt, mehr Veranstalter Mitglieder der „Livekomm“ (LiveMusikKommission – Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.) werden, die sich unter anderem für die Installation eines nachhaltigen Förderinstrumentariums einsetzen.
Beim FoF 2020 | Foto: Christoph Schöning
Auf der anderen Seite ist es auch einfach Realität, dass in der gesamten Branche ein riesiger finanzieller Verlust entstanden ist und weiter entsteht und jedes Team ist natürlich daran interessiert, sein Festival schnell auszuverkaufen. Oder vielleicht sogar noch ein zweites Festival oben drauf zu setzen. Es werden sogar schon teilweise Gelände für 2022 und 2023 gesucht, um sich nochmal zu vergrößern. Ich hoffe sehr, dass da keine Marketing-Schlacht stattfinden wird. Bei den Gästen wird der Bedarf definitiv sehr groß sein, ENDLICH wieder auf ein Festival zu gehen. Dementsprechend wird auch das Angebot durch die Decke gehen.
Gleichzeitig gibt es ja auch viele Festivals, wie zum Beispiel das Ancient Trance, die von ihrer Community leben und nicht daran interessiert sind, um jeden Preis größer zu werden. Da geht es vielmehr darum, den Weg gemeinsam mit der Community zu gehen und wirklich zu schauen, was gerade sinnvoll ist. Ich persönlich finde, dass genau diese Festivals sehr gesund sind. Deshalb empfehle ich auch, einfach mal ne Umfrage bei den Gästen zu machen, wie sie sich die Festivals 2022 vorstellen. Die Bedürfnisse werden sich durch diese krasse Pandemie-Zeit stark verändert haben. Ist den Gästen z.B. mehr Diversität wichtig, oder mehr Nachhaltigkeit? Sollen die Zelte schon dastehen? Dieses „Mein Zelt steht schon“-Konzept ist übrigens auf allen Festivals in Holland schon durchgesetzt.
Redaktion: Wie genau arbeitest du denn mit Leuten, die bei Fuchs & Hirsch nach Unterstützung suchen?
Robert: Hauptsächlich kommen Leute zu uns, die zum Beispiel als Studentenvereinigung ein Festival mit 1000 Leuten organisiert haben und das auch ganz gut geklappt hat. Dann hatten sie aber im nächsten Jahr plötzlich 3000 Gäste auf dem Gelände und es brannte dementsprechend an einigen Ecken. Hier schauen wir erstmal mit dem Team zusammen, wie denn überhaupt gearbeitet wird. Ob einfache Excel-Tabellen benutzt werden, oder ob schon spezifischere Softwares am Start sind. Inzwischen gibt es da ganz tolle Sachen, um zum Beispiel den Lageplan fürs Gelände digital zu professionalisieren. Super spannend ist auch Virtual Reality. Dort können beispielsweise die Bühnen schon bis ins Detail digital gebaut werden, so dass sich die Mitarbeiter das schon vorher anschauen können. Ausschlaggebend sind auch cloudbasierte Programme, durch die der ganze Workflow verbessert wird.
Redaktion: Habt ihr derzeit womöglich sogar mehr Anfragen, weil viele Festivals den Leerlauf gut nutzen möchten, um sich besser zu organisieren?
Robert: Nein, nicht wirklich. Auch wenn viele daran interessiert sind, den Leerlauf gut zu nutzen, sind sie damit überfordert und schauen lediglich, wie sie sich finanziell irgendwie über Wasser halten. Und Mitte April muss man sich dann schon wieder auf den bevorstehenden Sommer konzentrieren.
Redaktion: Gerade jetzt, aber auch unabhängig von Corona, ist es ja ziemlich riskant, seine Arbeit auf nur eine Veranstaltung im Jahr zu fokussieren. Hast du da weitere Konzepte im Petto?
Robert: Viele verdienen sich noch ein paar Einnahmen mit Merchandise dazu. Was ich aber noch viel cooler finde, sind kleinere Konzerte übers Jahr verteilt, die man dann auch streamt. Dort spielen dann zum Beispiel Bands, die fürs große Festival angekündigt waren aber kurzfristig absagen mussten. Man muss sich einfach so aufstellen, dass es nicht nur diesen einen großen Moment im Jahr gibt, sondern sich etwas wie ein roter Faden durch’s Jahr zieht.
Meine letzte goldene Frage: Was wünschst du dir ganz persönlich für die Festivalbranche?
Robert: Ich wünsche mir mehr gemeinsame Abstimmung, weniger Ellenbogen-Gesellschaft. Ich wünsche mir mehr Kennenlernen. Das geht am besten über Verbände und Gatherings. Zusammen können wir viel mehr kreieren.
Lieber Robert, ich danke dir für dieses inspirierende Interview und wünsche uns allen einen hoffentlich vielseitigen Festival-Sommer 2021!
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