Liebes Tagebuch...
Liebes Tagebuch, so oder so ähnlich könnte dieser Artikel starten. Ich möchte heute, zu meinem persönlichen letzten Arbeitstag in diesem Jahr gern Gedanken aus dem vergangenen Sommer teilen. Kaum ein Moment aus diesem Jahr ist mir so in Erinnerung geblieben, wie dieser. In Anbetracht der (oh Gott, ich muss das jetzt auch schreiben!) „aktuellen Situation“ ist es wohl noch wichtiger und richtiger, mich daran zu erinnern, Hoffnung zu schüren und mit hoch erhobenem Kopf ins neue Jahr zu starten.
5. August 2021
Krass, denke ich. Es geht wirklich los jetzt, während ich vor der Bühne stehe, auf der sich die die Eröffnungszeremonie abspielt. Tränen rollen meine Wangen hinunter. Es ist, als ob eine riesengroße Anspannung nachlässt. Echt jetzt. Es geht los, wir haben das wirklich gemacht. Was für ein Wahnsinn. Zwischen selig drein blickenden Gästen, die es scheinbar gar nicht abwarten können, sich endlich wieder ekstatisch zu den Klängen einer Liveband zu bewegen, sehe ich Freunde und Kollegen. Kollegen, die zu Freunden geworden sind - dieses Jahr mehr, als je zuvor. Und jetzt sehe ich - es geht ihnen wie mir. Die Last fällt ab. Noch vor vier Tagen waren wir unsicher, ob diese Veranstaltung überhaupt stattfinden würde. Unser Aufbauteam checkte vor jeder neuen Baustelle die Tagespresse, wo sich Inzidenzen und Politgerangel gerade hinbewegen, bevor sie ihre Werkzeuge an einem neuen Ort auspackten. Vor zwei Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass mein Telefon 10 mal klingelt, weil ich einen Termin beim Gesundheitsamt hatte und allesamt nur diese eine Frage beantwortet haben möchten: wird es ein Festival 2021 geben? Und dass eine Woche vor dem Termin, bei 2000 verkauften Tickets, 50 gebuchten Künstlern und organisatorischem Glitzerstaub überall in der Luft. Was für ein Wahnsinn. Und was antworte ich all den Menschen am Telefon? Das gleiche, wie am Tag davor und am Tag davor: ,,Vielleicht. Könnte sein. Mal sehen. Eventuell. Morgen wissen wir mehr.“
Doch jetzt stehen wir hier, die Besucher warten auf den Drop, der es ihnen erlaubt, all das Kopfkino der letzten Monate, den Schmerz und ihre Sorgen loszulassen, sich frei zu tanzen und abzuschalten. Genau, wie ich. Und da kommt er. Ziiiiiirp. Plötzlich rauscht es nur noch in meinen Ohren, Matsch quillt zwischen den barfüßigen Zehen empor und der Rhythmus einer Rahmentrommel ist alles, was ich in meinen Kopf noch hineinlassen möchte. Für immer.
Ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachtsfest und ein 2022, welches geprägt soll wird von Chancen. Ich wünsche uns, dass wir sie erkennen, wenn sie sich uns bieten, dass wir sie sehen und ergreifen. Sie sind überschaubar gerade, aber eben deswegen umso wichtiger und wertvoller.
Alles Liebe euch und uns, Katrin