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Wovon gehen wir also aus bei der Beantwortung dieser zugegebenermaßen nicht ganz einfachen Frage? Ich persönlich stehe nicht so auf diese Massenevents, auf denen man die gefühlten Besucherströme aller deutschen Innenstädte zur gleichen Zeit trifft. Und da ich ja diesen Text schreibe, nehmen wir an, es ginge um ein mittelgroßes Event mit einer Besucherdichte von 5.000 - 10.000 Personen. Diese Größenordnung ist für mich überschaubar und auch entsprechend meiner Erfahrungen als Eventplaner nachzuvollziehen. Die Produktionskosten lassen sich im Grunde auch einfach überschlagen, wenn man die Personenzahl im Verhältnis erhöht. Einzig der Faktor Künstler*innengage bleibt hiervon unberührt.
Starten wir also gleich mal damit: Gagen.
Künstler*innen sollen für Ihre Tätigkeit entsprechend entlohnt werden. Hierbei kommt es neben dem Bekanntheitsgrad auch auf die bereits bestehenden Tourdaten an. Mein persönlicher Tipp an dieser Stelle: günstiger wird’s oft, wenn der Act sich bereits in der Nähe befindet - check also am besten mit dem Booker die Tourdaten und schaut gemeinsam, was sich da effektiv eintakten lässt. Wie hoch die Gage schließlich ausfällt, hat keinerlei Aussagekraft über den Erfolg oder Gefallen beim Publikum. Die Katze im Sack ist vielleicht ein Überraschungserfolg für den schmalen Taler und kostet nur 500 €. 5.000€ - 10.000€ im Vergleich für 90 Minuten Bühnenprogramm sind gängig und lassen vergleichsweise wenig Spielraum bei Nerven- und Haarausfallquote zu. Du kennst die Band, du weist, deine Gäste stehen genau da drauf und als Headliner kannst du sie obendrein noch aufs Plakat drucken.
Richtig, einen Act zu buchen, ist die eine Sache, allerdings braucht dieser ja auch eine Bühne. Dazu Technik (in erster Linie Sound und Licht) sowie entsprechendes Personal, welches diese zu bedienen weiß. Je nach Bühnengrüße kann man hier im Mittel mit 10.000 € fürs Wochenende kalkulieren, wobei die Personalkosten (wie an allen anderen Stellen auch) am intensivsten zu Buche schlagen. Bei diesen Größenverhältnissen müssen wir allerdings von zwei Bühnen ausgehen, damit eine mit 5.000 Besuchern ausgelastete Veranstaltung reibungslos funktioniert. Mindestens. Dazu lassen sich auch kleinere Optionen auswählen, Muschelzelte z.B. mit einem festen Boden - hier können sogenannte Sideacts auftreten, die Kosten dafür halten sich in Grenzen - mit etwas Glück sind 2.000 € für einen Auftrittsort dieser Art ausreichend.
Und nun - alles, was es rundherum braucht. Ums wortwörtlich zu nehmen, beginnen wir beim Zaun. Die meisten Festivalgelände sind gemietet und werden nur für diesen speziellen Anlass eingezäunt. Je nach Fläche und Dauer kann man mit 6.000 € - 10.000 € rechnen. In meinem Kopf zäune ich hier ein Gelände von rund 15.000qm ein. Da ist dann immerhin der Campingplatz schon mit drin. Apropos Campingplatz: nicht zu unterschätzen sind die Kosten, welche es den Besuchern so angenehm wir möglich machen. Für hunderte Meter Wasserleitungen, Stromversorgung, Toiletten, Weg- und Ambientalbeleuchtung und vor allem Menschen, die all dies auf- und wieder abbauen fallen mindestens 80.000 € an. Dies schließt immerhin das gesamte Gelände ein, nicht nur den Schlafbereich. Apropos Gelände - rechne mit Mietkosten fürs Festivalareal sowie Bereiche zum Campen und Parken ringsherum. Diese Kosten sind regional derart variabel, dass ich sie keinesfalls beziffern kann und daher von einer minimal-fiktiven Zahl von 5.000 € ausgehe.
Fremdanbieter, wie Security, Reinigungs- und Müllentsorgungsfirmen oder auch Druckereien für Bändchen und Buchhalter fallen mit nicht unwesentlichen 40.000 € ins Gewicht. Bei diesen Kosten lässt sich leider wenig einsparen, wobei auch das Recycling z.B. durch schöne Dekoration bei den Besuchern bereits angeteasert werden kann.
Damit es nicht nur Bühnen und Klos gibt, lassen sich viele Veranstalter noch schicke Gimmicks einfallen. Neben ambientischen Chilloutarealen tauchen Klettergerüste, Pools, Baumschaukeln oder überdimensionierte Spielecken für große und kleine Menschen auf. Das alles will gebaut sein. Ob vom Team selber oder externen Anbietern - auch hier wieder die Erkenntnis: Personalkosten sind der Dreh- und Angelpunkt einer solchen Unternehmung. Wobei: Die aktuellen Holzpreise nähern sich deutlich an. Ums richtig schön zu machen, fallen für das oben geschätzte Gelände runde 100.000 € an Bau- und Dekokosten an. Dafür fährt dann auch ein Radlader übers Gelände und verteilt Spielsand, wo er gebraucht wird.
Viele Veranstalter stranden bei diesem Posten und setzen auf werbestarke Fremdanbieter, die dann an den jeweiligen Aktionsstellen gewinnbringend Getränke oder Essbares umsetzen. Ein klassisches Beispiel ist der von der führenden Brauerei hingestellte Bungeetower, welche im Gegenzug z.B. ein Ausschankmonopol erhält. Andere arbeiten mit dem Volunteer-Prinzip und sparen sich dadurch eine Menge Geld. Allerdings sind solche Eventplaner auf die Zuverlässigkeit der Freiwilligen angewiesen, was allein der Begriff schon wackeln lässt. Hier ist Ideenreichtum zur Bindung der Crew gefragt. Partys schon während der Entstehungszeit eines Festivals sind eine gern gesehene Bestechung - Tickets sowie freie Verpflegung verstehen sich wohl von selbst. Das diese Möglichkeit jedoch auf eine gewisse Veranstaltungsgröße begrenzt scheint, ist wohl auch offensichtlich.
Damit sich die Ausgaben auch amortisieren, braucht es vor allem eins: Gäste. Gerade junge Events müssen in ihren Bekanntheitsgrad investieren - denn die geilste Kombination aus allen zuvor benannten Faktoren nützt nichts, wenn keiner kommt. Glaubt mir! Hier ist es unbedingt nötig, einen Batzen Geld für Werbung in die Hand zu nehmen. Eine vernünftige Marketingkampagne - im Normalfall inzwischen hauptsächlich online - kostet zwischen 30.000 und 40.000 €. Später, wenn die Tickets dann bereits einen Tag nach dem Vorverkaufsstart vergriffen sind, kann man hier entspannt zurückfahren. Oder wann hat man zuletzt Werbung für die Fusion gesehen?
Da Werbung auch alle anderen potentiellen Mitesser anzieht, sollte man eine Veranstaltung einer solchen Größenordnung besser im Vorfeld bei der GEMA anmelden und hinterher auch einen Hinweis an die Künstlersozialkasse senden. Diese berechnen ihre Beiträge anhand von Ticketpreisen und Nationalitäten der auftretenden Künstler. Mittel der dabei entstehenden Gebühren beim Durchschnittspreis von 100€ pro Ticket: 30.000 €. Der Beitrag vermindert sich, sollte man die Veranstaltung als gemeinnütziger Verein anmelden.
Das allerletzte, was mir einfällt, was man jedoch als erstes berücksichtigen sollte: eine Versicherung. Am besten gegen Kaputt, geht nicht, kann nicht, will nicht und darf nicht. Diese süßen Beschreibungen mahnen, neben einer klassischen Veranstalterhaftpflicht auch an Ausfallversicherung, Unfall-, sowie Equipmentversicherung zu denken. Alles kann, nichts muss - Will man all das absichern, fallen noch mal runde 5.000 € an.
Damit es auch jemanden gibt, der über all das und vor allem alle beteiligten Menschen den Überblick behält, benötigt es unbedingt ein Backoffice - mitsamt Technik, Software und reichlich Schokolade für die Nerven. Da Kosten für Laptops und Drucker nicht jedes Jahr, sondern nur bei Bedarf anfallen, rechne ich hier mit den Werten für Verbrauchsmaterial wie z.B. Druckerpatronen und unabdingbarem Kleinkram dieser Art.
Die Digitalisierung macht auch vor dem Festivalsektor nicht Halt. Insbesondere in Produktion und Verwaltung lassen sich viel Zeit und Nerven mit den richtigen Tools sparen. Ob man sich festiware einmalig anschafft oder die Lizenz jährlich erneuert, hängt von Nutzerverhalten und freilich Liquidität ab und bleibt somit jedem selbst überlassen. Geschätzt fallen für Software- und Entwicklungskosten im Mittel 6.000 € pro Saison an. Stellt man Kosten für Ticketing gegenüber, welches hier bereits inklusive ist, lässt sich dieser Betrag sogar im Ganzen sparen!
Und was steht diesem Ausgabenberg gegenüber? Ticketeinnahmen und Händlerstandgebühren, je nach Größe des Events evtl. noch Sponsoringgelder. Es lässt sich also recht einfach zusammenrechnen, wie so ein Ticketpreis zustande kommt - und auch, warum er in den letzten Jahren stetig anstieg. Zu guter Letzt bleibt noch zu erwähnen, dass alle aufgelisteten Beträge bei einem kommerziellen Festival ja auch einen Gewinn abwerfen sollen, hier kommt also ggf. noch was oben drauf. Bei ehrenamtlich organisierten Veranstaltungen fallen die Ticketpreise allerdings nicht unbedingt günstiger aus, da diese Teams meist nur ein einziges Festival pro Jahr planen und aufgrund kleineren Dimensionen oder geringerer Bekanntsheitsgrade oft nicht auf Einnahmen aus Fremdwerbung oder Sponsoringgelder zurückgreifen können.
Um hier den Kreis mithilfe der Schuhsolen-Metapher vom Anfang zu schließen: gerade wer ein Festival zum ersten mal plant, kann gewisse Faktoren einfach nicht von vorn herein einschätzen - und damit nur bedingt kalkulieren. Und wenn man schon allen Gehirnschmalz aufgebracht hat, kommt die unverhoffte Last-Minute Lösung aus der Geschenkekiste von nebenan. Es bleibt also ein Abenteuer, weil man nie so genau weiß, was geschieht. Wenn man sein Bestmögliches getan hat, läufts auch, egal ob die Sonne in Strömen scheint oder der Himmel Freudentränen weint.
Eine kleine Anmerkung noch meinerseits zu diesem Text: ja klar, grundlegend ist er für Orgas gedacht - vor allem jene, die es werden wollen - dennoch bietet er auch für Festivalbesucher und demnach die Menschen, die sich ein Ticket kaufen, eine Übersicht, wie sich der Ticketpreis zusammensetzt. Nach den Preiserhöhungen der letzten Jahre ist es mir ein inneres Bedürfnis, all den „VIEL ZU TEUER!“-Rufern aufzuzeigen, woher die gestiegenen Preise kommen und was eigentlich für ein Wahnsinn hinter einer vergleichsweise so kurzen Veranstaltung wie einem Festival steckt. Hier arbeiten so viele Menschen Monate und Wochenlang an einem Projekt, welches, nachdem es ein Wochenende lang stattgefunden hat, lediglich in den Köpfen der Menschen und einer Ladung Handyfotos fortbesteht. Andere bauen sich ein Haus für die Ewigkeit mit gleichem Energieaufwand. Nachdem tausende kleine und große Festivals, die in Europa und weltweit in den letzten Jahrzehnten das Licht der Welt erblickten, kürzlich mit dem Untergang rangen, sind wir froh, zu atmen und sehen den Hintergrund der erhöhten Preise eher als Sinnbild von Wertsteigerung. Denn so ein Festival ist einfach etwas ganz besonderes, dessen sollten wir uns alle wieder bewusst werden!