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Wir haben das MiMiMi und BlaBlaBla durch Corona satt. Wir wollen euch inspirieren, trotz – oder genau durch diese Krise – neue Ufer zu entdecken. In unserer neuen Interview-Reihe „Corona&Kultur – das geht!“ befragen wir Menschen aus der Kulturbranche, wie sie mit Mindestabstand, Maskenpflicht & Co umgehen.
Marie Golüke organisiert mit ihrem Team seit 9 Jahren mit großem Engagement und Herzblut das Kunst- und Kulturfestival „Festival für Freunde“. Der Name ist Programm: Auf diesem Gathering geht es nicht um den unverdauten Konsum von Kunst. Hier wird kein vollgestopftes Programm geboten, worunter sich der Zuschauer inmitten Bühnen und Workshops verliert. Es soll genügend Zeit zum Austausch des Gesehenen und Erlebten sein sowie zum interaktiven Mitgestalten.
Red.: Marie, erzähle uns ein bisschen über euer Festival.
Marie: Wir sind ein Kunst- und Kulturfestival mit einem sehr abwechslungsreichen Angebot unterschiedlichster Genres und Kunstarten, darunter Performance, Theater und Musik. Sowohl Kunst, die sich mit gesellschaftskritischen Themen auseinandersetzt, als auch Unterhaltungskunst ist Teil unseres Programms. Ursprünglich haben wir mit darstellender Kunst angefangen, ich selbst komme aus dem Theater und der Performance-Kunst. Das Festival findet immer Anfang August im Brandenburger Land auf dem Hof Dahnsdorf, einem ehemaligen Rittergut und einem LPG-Gelände statt.
Red.: Was ist die Philosophie hinter eurem Festival?
Marie: Wichtig ist uns, dass es hier nicht nur darum geht, einen Draufzumachen. Unsere Gäste kommen hier in einen laufenden Diskussionsraum, worin man sich mit dem Gesehenen auseinandersetzen kann.
Wir mischen Stadt und Land und holen die nationalen Künstler auf die Bühne. Mit unserer Brandenburg-Reihe möchten wir vor allem auch die Brandenburger Künstler für unser Festival begeistern und sie sichtbar machen. Das Programm reicht vom kontrovers diskutierten Polit-Theater bis hin zum traditionellen Samstags-Rave. Vom Kindertheater bis hin zur Akt-Ausstellung.
Wir haben kein Backstage, die Künstler sind mit den Gästen die ganze Zeit auf einem Areal und alle essen zusammen. Bei uns laufen auch nicht mehrere Vorstellungen parallel, alles läuft nacheinander und zwischen den Vorführungen gibt es immer eine halbe Stunde Pause um das Gesehene zu reflektieren.
Red.: Wie kamst du auf die Idee, solch ein Festival auf die Beine zu stellen?
Marie: Ich selbst habe Theaterwissenschaft studiert und bin dadurch schon auf etlichen Theaterfestivals gewesen. Auf diesen großen städtischen Festivals rennt man von einer Vorstellung zur anderen, kommt zu spät, hat keine Zeit das Gesehene zu verarbeiten. Hier ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass diese großen Theaterfestivals ganz anders aufgebaut sind als Musikfestivals. Die Leute schlafen in Hotels und die Vorführungen sind in der ganzen Stadt verstreut.
Dass alles auf einem Platz ist, habe ich auf den Musikfestivals immer sehr genossen, da war allerdings die Kunst sehr im Hintergrund. Mir schwebte also ein Kunstfestival im Stil eines Musikfestivals vor.
Als Künstlerin liebe ich es, auf den unterschiedlichen Events zu Netzwerken. Da dachte ich, es wäre doch toll, wenn alle meine Künstler*innen - Freunde mal zusammenkommen, am besten in meinem Heimatdorf, wo ich Vielfalt von Kunst und Kultur als Jugendliche immer sehr vermisst habe. So entstand der Name „Festival für Freunde“.
Diese Idee hab ich einer Freundin erzählt – und dann haben wir’s einfach gemacht. Wir haben mit 900 Euro von einer Crowdfunding-Kampagne angefangen. Zufällig hab ich dann die Brüder Julian und Dominik kennengelernt, die teilweise professionell in der Veranstaltungstechnik unterwegs sind und konnte sie für das Projekt begeistern. Die Leute auf dem Hof Dahnsdorf unterstützten uns auch von Anfang an. Es hat alles irgendwie funktioniert und so haben wir einfach weitergemacht. 2014 haben wir einen Verein gegründet, um eine feste Gemeinschaft zu haben, die auch fernab des Festivals zusammen ist. Und als Verein erhalten wir für unsere Arbeit auch leichter Fördermittel, können Spendenbescheinigungen ausstellen und mit den Mitgliedern kontinuierlich das Festival weiter aufbauen und veranstalten. Das Gemeinschaftsgefühl in einem Verein, wenn alle die gleiche Idee verfolgen, ist wirklich toll.
Red.: Wie sah es 2020, im ersten Corona-Jahr, für euch aus?
Marie: Es gab da gar nicht so viele Änderungen. Wir haben uns dazu entschieden, das Festival einfach durchzuziehen. Unser Vorteil war, dass wir eh kein riesiges Festival sind, sondern lediglich um die 500 Leute auf dem Platz haben an drei Tagen verteilt. Letztes Jahr wurde ja festgelegt, dass die Obergrenze 1000 Leute pro Veranstaltung sind - das hat uns den Arsch gerettet. Noch dazu wurden wir letztes Jahr mehr denn je zu einem Geheimtipp, da viele Festivals nicht stattfanden und wir so mehr Leute anzogen. Wir hatten also sogar noch ein bisschen mehr Publikum als sonst. Dennoch: Kunst und Kultur zieht leider nie so viele Menschen an, wie ein Musik-Rave, dem hoffen wir aber mit unserem vielfältigen Programm entgegentreten zu können.
Red.: Welche Änderungen musstet ihr durch die Hygienemaßnahmen vornehmen?
Marie: Wir hatten ein ganz normales Hygienekonzept, Masken an der Bar und Stühle nebeneinander in genügend Abstand aufgestellt. Und wir haben auf unseren traditionellen kleinen Samstags-Rave verzichtet und haben Kontaktlisten geführt. Was ein bisschen anstrengend war, war der Zeitdruck. Da die Bestimmungen ja erst so spät feststanden, mussten wir die ganze Organisation innerhalb 4 Wochen wuppen, wozu wir uns sonst 4 Monate Zeit lassen.
Red.: Wie sieht eure Planung für dieses Jahr aus?
Marie: Wir planen eigentlich wie jedes Jahr auch. Nichtsdestotrotz gehen wir von einem ähnlichen Szenario wie letztes Jahr aus. Ich bin zuversichtlich, dass es auch dieses Jahr gut klappen wird. Und obendrein haben wir den Vorteil, dass wir letztes Jahr schon unsere Testphase hatten.
Jetzt finden die ganzen Meetings online statt, was ein bisschen schade ist, denn wir vermissen uns gegenseitig schon sehr.
Gleichzeitig haben wir erstmalig eine Förderung für unsere Infrastruktur vom Fonds Darstellende Künste e.V. aus dem Programm NEUSTART KULTUR bekommen, womit wir uns unter anderem festiware als neue Orga-Software leisten konnten, sowie Investitionen für Nachhaltigkeit und Technik (zum Beispiel für kontaktloses bezahlen) anschaffen können.
Red.: Was ist deine Vision für die Kulturszene? Was darf sich durch Corona verändern?
Marie: Nehmt das, was da ist und macht was Geiles draus! In unserem Team sind wir alle sehr flexibel und das muss man in dieser Branche auch sein. Klar ist es auch wichtig zu sagen, was einem nicht passt, wenn man das Gefühl hat, irgendwas läuft grundsätzlich falsch. Petitionen unterschreiben, Forderungen an die Politik tragen uws. aber einfach jammern, das funktioniert nicht. Es ist gerade nicht nur für die Kulturszene herausfordernd, sondern für alle. Doch Herausforderungen gibt es immer, auch ohne Corona. Dinge werden sich immer verändern. Es ist nicht sinnvoll zu stagnieren und darauf zu pochen, dass es „so bleiben muss, wie es immer schon war“.
Wir waren im letzten Jahr sehr dankbar, dass wir ein eher kleineres Festival sind und deshalb stattfinden konnten. Und vielleicht ist für die Kulturszene genau DAS gerade dran. Kleiner werden, sich rückbesinnen. Was für ein Festival möchten wir wirklich kreieren? Wir haben uns angepasst und es hat nicht zu Frust geführt, ganz im Gegenteil. Wir haben neue Ideen gesponnen und uns neu erfunden.
Was hältst du von Online-Festivals?
Die Digitalisierung von Festivals schafft neue Möglichkeiten, z.B. ermöglicht es mehr Barrierefreiheit. Durch das Streaming können Menschen, denen es nicht möglich ist, zu uns zu kommen, unser Festival von zu Hause aus genießen. Für unser Streaming-Konzept haben wir sogar einen Preis gewonnen vom Dachverband der Kulturfördervereine und dem Jungen Think Tank, nämlich ein professionelles Coaching von Capgemini. Wir sind bei dem Konzept auch beim Thema Streaming kreativ geworden, wollten nicht einfach nur ganz platt die Bühnen digital ablichten. Wir wollten unserer Philosophie treu bleiben, dass sowohl Gäste als auch Künstler gemeinsam aktiv sind. Beim ganz normalen Streaming wird der Zuschauer danach buchstäblich allein gelassen, es gibt kein Networking oder ähnliches. Da sitzt du danach total verloren und allein in deinem Wohnzimmer.
Red.: Wie wollt ihr dieser Passivität, die beim Streaming entsteht, entgegenwirken?
Marie: Wir hatten z.B. die Idee eines gemeinsamen Chat-Raums, bei dem sich anwesende Festivalbesucher*innen und Gäste des Streams unterhalten können. Vielleicht stellen wir so eine Kamera auch an der Bar auf, dann kann man zusammen was trinken. Wenn mehr Festivals in diese Richtung denken würden, anstatt so schnell wie möglich wieder die 10.000 Gäste-Festivals zu organisieren, wäre das richtig gut und auch zukunftsweisend. Das ist meine Vision.
Liebe Marie, ich danke dir für dieses inspirierende Interview! Das Interview wurde geführt von Doris.
Den Trailer vom Festival könnt ihr euch hier ansehen.
Der Vorverkauf für das Festival 2021 vom 29. Juli bis 1. August startet voraussichtlich Mitte März.
Alle weiteren Infos zum Festival findet ihr unter http://www.festivalfuerfreunde.de/